5. Auferweckung und Erhöhung meinen im Urchristentum dasselbe Ereignis


G. Friedrich: Erhöhungsaussagen im Johannesevangelium (3,14;  8,28;  12,32.34), im Hebräerbrief (1,3.13;  2,7-9;  8,1;  10,12;  12,2), Phil 2,9f und 1Tim 3,16 (180).

Im Jh-Ev, wo am meisten von der Erhöhung Jesu gesprochen wird, kann sie auch als seine Verherrlichung bezeichnet werden (7,39;  12,16.23) und das Wort Jesu: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“ (12,32) zeigt etwas von der Macht, die er als der Erhöhte hat. Aber in der Mehrzahl der Stellen ist sie, wie die parallelen Verben anabaino (3,13;  6,62;  20,17), poreuomai (7,35;  14,2f.12.28;  16,7.28) und hypago (7,33;  8,14.21f;  13,3.33.36;  14,4f.28;  16,5.10.16f) zeigen, die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz, das Gehen zum Vater, die Rückkehr in die himmlische Welt. Nicht Psalm 110,1 erzeugte die Erhöhungsvorstellung, sondern die bereits bestehende Theologie wurde durch das Psalmwort untermauert. Weder im Jh-Ev noch an Stellen wie Röm 1,3f; Phil 2,9f oder 1Tim 3,16 wird auf den Psalm angespielt. Auferweckung und Erhöhung gehören im NT ursprünglich zusammen (181).

In der ältesten Tradition fallen oft Erweckung und Erhöhung zusammen. Das zeigt Röm 1,4 wo die Erhöhung Jesu zum Gottessohn durch die Totenauferweckung erfolgt ist: „Eingesetzt zum Sohn Gottes nach dem Geist der Heiligkeit durch die Totenauferstehung“. Die Verbindung von Auferweckung und Erhöhung ist von Anbeginn an da. Wichtig ist auch Röm 10,9, wo in der Homologie vom Kyrios gesprochen wird, was seine Erhöhung voraussetzt und im Credo von seiner Auferweckung von den Toten. Paulus spricht in Röm 14,9 und 8,34 von dem Auferweckten, der zur Rechten Gottes ist. Nach Röm 14,9 hat die Auferweckung Jesu direkt das Ziel der Erhöhung: „Darum ist Christus gestorben und lebendiggemacht, dass er über Tote und Lebende Herr sei“. Auch in 1Kor 15,23ff schließt die Auferweckung Jesu seine Inthronisation ein; denn der Auferstandene hat die Herrschaft erhalten. Der Auferweckte ist für Paulus immer der Erhöhte und Verherrlichte. Auferweckung und Erhöhung sind nicht zwei getrennte Akte, sondern Christus ist vom Kreuz aus zur Rechten Gottes erhoben, wie er nach Lk 23,43 dem Schächer am Kreuz verheißen hat: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (182f).

Die Zusammengehörigkeit von Auferweckung und Erhöhung zeigt sich auch in Eph 1,20f: Gott „war in Christus am Werk, als er ihn von den Toten auferweckte und ihn zur Rechten in den Himmel setzte über alle Gewalt, Hoheit, Macht und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht nur in diesem Äon, sondern auch in dem zukünftigen; und alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn als Haupt über alles der Kirche gegeben“. Wie der auferweckte Christus Röm 14,9 Herr über Lebende und Tote ist, so ist er Eph 1,22f Herr über den Kosmos und die Kirche. In 1Ptr 3,18ff heißt es „Christus ... wurde lebendig gemacht nach dem Geist …, der zum Himmel aufgefahren ist, zur Rechten Gottes thront, nachdem die Engel, Gewalten und Mächte ihm untertan geworden sind“. Auch Mt 28,18 sind Auferstehung und Inthronisation verbunden, wenn der Auferstandene sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“. Während ursprünglich Auferstehung und Erhöhung ein Akt gewesen sind und man zwischen Auferweckung und Erhöhung Jesu keinen Unterschied gemacht hat, sondern der auferstandene Christus der Erhöhte und der Erhöhte stets der Auferstandene gewesen ist, hat man in einer späteren Phase der Entwicklung die Himmelfahrtsgeschichte zum Abschluss der Periode der Erscheinungen des Auferstandenen gemacht, die den Eindruck erweckt, dass die Erhöhung nun ein zweites Ereignis nach der Auferstehung ist. Wenn Jesus der erhöhte Heilbringer gewesen ist, dann mussten bereits bei dem irdischen Jesus die Voraussetzungen für seine Erhöhung gegeben sein. Insofern hat die Erhöhung eine logische Priorität vor der Auferweckung (183f).


(1) Die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus
(2) Transzendentale Entwürfe – Versetzung des Verstorbenen in den Himmel

(3) Zu den Elia-Motiven des Lukas
(4) Himmelfahrt und Erhöhung im NT außerhalb der lkn Schriften

 


(1) Die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus 

Der ursprüngliche Glaube an den erhöhten Herrn


G.Bertram

Die Auferstehungsberichte des NT sind Legenden. Unsere evangelische Überlieferung wie auch das gesamte NT stammt aus der christlichen Gemeinde, die an den erhöhten Christus, der zur Rechten Gottes sitzt, glaubt (187).

Wenn die Botschaft Jesu und der Glaube der ältesten Gemeinde eschatologisch bestimmt war, so musste er im Gegensatz zu der irdischen Erscheinung Jesu in menschlicher Schwachheit, zu der Tatsache seines Todes sich auf seine Einsetzung als Messias in Herrlichkeit richten (193).

Paulus sehnt sich (2Kor 5,2) nach der Bekleidung mit dem himmlischen Leib (Phil 1,23): „Ich sehne mich abzuscheiden und bei Christus zu sein“. An dieser Stelle tritt die individuelle Eschatologie an die Stelle der kollektiven. Aus Phil 3,21 geht hervor, dass diese Auffassung innerlich verbunden ist mit dem ursprünglichen Glauben an den erhöhten Herrn. Das wird deutlich aus Apg 1,6, wo die Apostel den Herrn fragen, ob er jetzt nach seiner Wiederkunft das Reich Israels, das ist das eschatologisch-messianische Reich, aufrichten wolle. Hier wird deutlich, dass die Visionen z.T. nicht so sehr die Auferstehung als vielmehr die Erhöhung, das Thronen Jesu zur Rechten Gottes voraussetzen. Das ist auch in den apokalyptischen Stellen des NT immer wieder der Inhalt der Hoffnung Jesu. Er erwartet bei seinem Tod, als der Messias in Herrlichkeit eingesetzt zu werden, und spricht das in den Formeln der danielischen Apokalyptik aus (Mk 8,38;  13,26f;  14,25.62;  Mt 24,31). Lk 22,69: „von nun an wird der Menschensohn thronen zur Rechten der Kraft Gottes“. Mt 16,28: „bis sie sehen den Menschensohn kommen mit seinem Reich“. Lk 23,42: „Jesus, gedenke meiner, wenn du mit deinem Reich kommst“! Mt 16,28 ist an die Stelle der allgemeinen Erwartung des Kommens des Reichs Gottes die auch aus der Lesart von D des Schächerwortes bei Lk 23,42 bekannte Formulierung „bis sie sehen den Menschensohn kommen mit seinem Reich“ eingesetzt (196f).

Auch Paulus scheint die Aufnahme Jesu vom Kreuz in den Himmel vorauszusetzen, wenn er Phil 2,5ff ohne Erwähnung des Begräbnisses und der Auferstehung Erniedrigung und Erhöhung des Herrn einander gegenüberstellt. In Röm 5,10 wird der Tod Jesu dem Leben des Herrn entgegengesetzt. Dabei wird durch den Wechsel der Präpositionen angedeutet, dass zwar die Versöhnung durch die Kreuzigung des Herrn stattfand, die Rettung der Versöhnten aber auf dem Leben des Erhöhten beruht. Die Rettung ist in der Tatsache der gegenwärtigen und dauernden Lebenskraft Jesu begründet. 2Kor 4,4 wird das Evangelium als die Botschaft der Herrlichkeit des Christus umschrieben. Ebenso wie hier ist Gal 3,1;  1Kor 1,23;  2,2 die Auferstehung Jesu übergangen. Das Evangelium handelt von dem, der der Gekreuzigte ist. Von da aus erhält das Kapitel 1Kor 15 von der Auferstehung nicht dieselbe zentrale Stellung in der paulinischen Frömmigkeit, wie es sie zu beanspruchen scheint. Wir haben hier eine der Wurzeln dafür, dass in der Kirche allmählich neben dem Glauben an den Erhöhten sich mehr und mehr der Glaube an den Auferstandenen durchsetzte. Die historische Tatsache des Begräbnisses Jesu gehört zum ältesten Bestand der Leidensgeschichte, hatte aber zunächst nur historische, keine theologische Bedeutung. Weder die Jünger, noch die Frauen waren beim Begräbnis beteiligt; noch das Wort aus der Salbungsgeschichte Mk 14,8 weist darauf hin. Auch die Erscheinungen Jesu setzen zunächst weder das Begräbnis noch das 'leere' Grab voraus (197f).

Erstens bekommen die Visionslegenden von der Geschichte vom 'leeren' Grab aus ihren erdenhaften Charakter. Jesus erscheint mit dem Leib, den er als Mensch getragen hat und seine Auferstehung wird in den Himmelfahrtsgeschichten (Jh 20,17; Apg 1) von der Erhöhung geschieden. Zweitens dient die Betonung des Begräbnisses der Abwehr des Doketismus, das ist besonders 1Kor 15 der Fall. Mann will beweisen, dass Jesus wirklich gestorben ist. Es liegt hier dieselbe Entwicklung vor, die wir bei den Toten-Auferweckungs-Legenden der Evangelien beobachten können. In der Lazarusgeschichte soll mit dem Hinweis auf den Beginn der Verwesung jeder Irrtum ausgeschlossen werden. Drittens veranlasst bei Paulus Röm 6,3ff die symbolische Deutung der Taufe als eines Begräbnisses, in dem die Christen kultisch Christi Tod und Begräbnis erleben, die Betonung der Grablegung. Alle drei Momente haben dazu beigetragen, dass im christlichen Bewusstsein nicht mehr Tod und Erhöhung, sondern Tod und Auferstehung einander gegenüberstehen.

(Anm. 1: Die Anwendung von Ps 2,7 auf die Erhöhung entspricht seinem ursprünglichen Sinn. Es ist ja in ihm von der Inthronisation des Königs die Rede. Seine Verwendung in der Jesusüberlieferung wird deshalb ursprünglich der Verwendung des Danielzitats bei Lk 22,69 entsprechen.)

Die Übertragung dieser Formeln auf Christus ist gegenüber dem Glauben an den Erhöhten, der der Gekreuzigte ist, sekundär (199f).

An einzelnen Ausdrücken wird noch erkennbar, dass der eschatologische Glaube an die Erhöhung und Wiederkunft Christi zu der Vorstellung von der Auferstehung und zu den Visionslegenden keine unmittelbare Beziehung hat. Auf die direkte Aufnahme Jesu in den Himmel als Voraussetzung seiner Erhöhung und Wiederkunft weist die Feststellung der Trennung Jesu von den Jüngern im Tod hin, die in der Geschichte von den Emmaus-Jüngern (Lk 24,21) der Erwartung der Erlösung Israels unmittelbar gegenübergestellt wird. Das ist auch der Sinn der Himmelfahrtsgeschichte Apg 1, wie sie von den Engeln gedeutet wird. Die Himmelfahrt findet statt, so wie einst die Wiederkunft stattfinden soll, sie ist ihre Voraussetzung. Der Glaube an die direkte Aufnahme in den Himmel entsprach den volkstümlichen Vorstellungen des Judentums wie der hellenistischen Welt. Es war auch im Judentum nicht der eschatologische Auferstehungsglaube der Pharisäer, der die Vorstellungswelt der Gemeinde beherrschte, vielmehr hatte sich im Anschluss an den Seelenglauben seit der Makkabäerzeit, daneben der Glaube durchgesetzt, dass eine Entscheidung über das Schicksal der Seele sofort nach dem Tod stattfände, dass die Seelen der Gerechten in den Schoß Abrahams aufgenommen würden, die der Bösen aber der Hölle anheimfielen (200f).

(Anm. 2: Das hellenistische Judentum hat die Gedanken der Umwelt über das Schicksal des Menschen nach dem Tod weithin geteilt).

Im Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19ff) erscheint diese Vorstellung auch im Mund Jesu und sie begegnet bei ihm in den Worten an den Schächer am Kreuz: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Dieses Wort setzt die Erwartung Jesu voraus, dass er vom Kreuz aus ins Paradies eingehen werde. In diesem Sinn ist auch das von Lukas als letztes Wort Jesu überlieferte Zitat aus Psalm 31,6 zu verstehen: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ wobei deutlich wird, dass bei dem Begriff der Assumptio an eine leibliche Himmelfahrt nicht zu denken ist. Der Begriff begegnet bereits Lk 9,51, wo die Zeit des Leidens Jesu als die Zeit seiner Aufnahme bezeichnet wird, wobei an die Aufnahme in den Himmel zu denken ist, so dass hier Tod und Erhöhung in eins gesehen werden. Das scheint auch der Fall zu sein in Lk 24,26: „Musste Christus nicht solches leiden und (so) in seine Herrlichkeit eingehen“? Die Stelle wird auf die Himmelfahrt vom Kreuz aus gedeutet (202f).

Die Auferstehungsgeschichte ist ein sekundärer Bericht, der die Visionslegenden der kanonischen Evangelien voraussetzt. In den kanonischen Evangelien fehlt jede Darstellung der Auferstehung. Sie bringen nur das Bekenntnis zum Auferstandenen und begründen es mit den Visionslegenden (203f).

Die Gleichsetzung von Auferstehung und Himmelfahrt (Lk 24,51): noch am Tag der Auferstehung findet die Aufnahme in den Himmel statt. Paulus stellt sich die Visionen der Urapostel nach der Analogie der eigenen Christusvision vor, sieht Himmelfahrt und Erhöhung als Voraussetzung der Bezeugung des Auferstandenen an. Die Auferweckung durch Gott bedeutet gleichzeitig eine Erhebung zur Rechten Gottes, wo Christus gegenwärtig thront (Kol 3,1;  Eph 1,20;  Röm 8,34) (204f).

Das Christusbekenntnis Phil 2,5ff beweist, dass der Glaube an den Erhöhten zum Ausdruck kommen konnte, ohne die Erwähnung von Grab und Auferstehung. Es ist bezeichnend, dass auch einige andere bekenntnismäßigen Charakter tragenden Stellen des NT von der Feststellung des 'Begraben und Auferstanden' absehen. In 1Ptr 3,18 gehören einerseits die Formeln „gestorben nach dem Fleisch, lebendig gemacht nach dem Geist“, zusammen, andererseits die Formel „er ist zur Rechten Gottes, nachdem er in den Himmel hinaufgestiegen ist“, wozu dann die im NT mehrfach betonte Unterordnung der Engel und die Einsetzung Christi zum eschatologischen Richter, wie sie in 1Ptr 4,5 erwähnt wird, gehört. Beide Formeln haben nur ein Interesse an der Feststellung der Erhöhung des Christus, sie setzen die Himmelfahrt vom Kreuz voraus. Eph 4,8: entweder stehen Auffahrt in den Himmel und Höllenfahrt wie 1Ptr 3,18ff, oder Auffahrt in den Himmel und Herabkunft auf die Erde einander gegenüber. Die letztere Annahme entspricht der paulinischen Vorstellung (Phil 2,5ff), jedenfalls ist das „Aufgestiegen zur Höhe“, für den Verfasser die Hauptsache. Grablegung und Auferweckung sind auch hier nicht erwähnt. Dasselbe gilt von 1Tim 3,16. Die Stelle bezieht sich auf die Offenbarung des Erhöhten vom Himmel her. Seine Fleischwerdung ist nur eine Episode in diesem Mythus und seine Aufnahme in den Himmel wird mit Ausdrücken umschrieben, die sich am Besten von der Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus verstehen lassen (207f).

(Anm. 1: Zu dem: „Er wurde gerechtfertigt im Geist“ darf man vielleicht die Formulierung des Wortes des Hauptmanns unter dem Kreuz Lk 23,48 heranziehen: „Dieser Mensch war wahrlich ein Gerechter“. Jedenfalls ist das Wort des Hauptmanns die 'historische' Feststellung der Peripetie in der Geschichte des Christus. Die Art seines Todes hat Jesus gerechtfertigt, ihn trotz allem als den Sohn Gottes offenbart. Die christliche Gemeinde schildert bei dem Hauptmann einen Glauben an den Erhöhten, der unabhängig ist von der Auferstehung. Es ist also die Aufnahme vom Kreuz aus vorauszusetzen. Die Aussagen von der Verkündigung des Evangeliums und dem Glauben in der Welt beziehen sich beide auf den Missionsauftrag, der durch den Erhöhten gegeben (Mt 28,19) und in seiner Kraft ausgeführt wird (Mt 28,18.20). Die Aufnahme in Herrlichkeit entspricht der Rechtfertigung im Geist. Sie bezieht sich ebenfalls auf die Entrückung 2Kö 2,11;  1Makk 2,58.)

Die urchristlichen Vorstellungen sind abhängig von der atl Weissagung. Vor allem Ps 110,1 und Ps 2,7 bildeten die im NT zitierten Beweisstücke für die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes. Als Grundlage für die Vorstellung von der Erhöhung Jesu konnte auch die Stelle Jes 53,8 beansprucht werden (208f).

(Anm. 2: An dieser Stelle wird deutlich, dass die Himmelfahrt Jesu vom Kreuz auf zwei Vorstellungsreihen beruht, der von der Inthronisation und der von der Entrückung. Die erstere hat zur Voraussetzung, dass Jesus unmittelbar mit dem Tod zum offenbaren Messias in Macht und Herrlichkeit erhoben wird, wie Jesus selbst (Mk 14,62) es erwartet. Bereits Lukas (Lk 22,69: Von nun an wird der Sohn des Menschen sitzen zur Rechten der Macht Gottes“) bildet die Vorstellung um: Jesus thront unsichtbar im Himmel, er ist entrückt bis zu seiner Offenbarung in Herrlichkeit. Jes 53,8 konnte von der Entrückung verstanden werden. Jedenfalls liegt Kol 3,3f diese Vorstellung vor. Es ist die Anwendung des jüdischen Motivs vom verborgenen Messias auf christliche Vorstellungen. In unserem Text ist Entrückung und Inthronisation nicht mehr zu scheiden. Jesus thront im Verborgenen zur Rechten Gottes, seine Offenbarung wird erst erwartet. (Vorläufig ist er der Gemeinde entrückt) (209f).

Im Matthäusevangelium wird die Erhöhung mehr als die Auferstehung betont. Mt 28,20 erscheint der Auferstandene als der Erhöhte in göttlicher Vollmacht (210).

Die Sprache im Johannesevangelium und im Hebräerbrief ist charakterisiert durch Wendungen, die Grab und Auferstehung ausschließen (Ausnahme der redaktionelle Nachtrag im Jh-Ev). Für den Johannes-Evangelisten bedeutet der Tod nicht die tiefste Erniedrigung Jesu, sondern in und mit ihm ist seine Erhöhung zum himmlischen Herrn gesetzt. Eine Reihe von Termini bringen die Einheit von Tod und Erhöhung des Christus zum Ausdruck. Der Tod Jesu ist die Stunde seiner Verklärung. Der Verrat des Judas wird als Stunde der Verklärung bezeichnet. Die Gemeinde wird auf den Gekreuzigten hingewiesen, der der Verklärte ist (210f).

(Anm. 2: Neben der Erhöhung der Schlange (4Mose 21,8f) kommt Jes 52,13 in Betracht, wo Erhöhung und Verklärung miteinander verbunden sind. Man wird am besten den Terminus der Erhöhung im ganzen Johannesevangelium doppelsinnig mit Bezug auf Erhöhung ans Kreuz und in den Himmel verstehen).

Die Erhöhung mit dem atl Urbild der Erhöhung der Schlange bezeichnet die historische Tatsache der Kreuzigung Jesu und weist darüber hinaus auf die Aufnahme vom Kreuz in den Himmel hin. Ähnlich dürfte es liegen bei Ausdrücken wie 'Hinaufgehen oder Hingehen zum Vater', oder 'Weggehen aus der Welt', die auf Vorstellungen im Kreis der Jünger hinweisen, die weniger an Tod und Auferstehung als vielmehr an den Entrückungslegenden des AT wie vor allem an der Himmelfahrt des Elias orientiert sind. Es entsteht hier die Frage nach der Ursache der Verwendung dieser Ausdrücke nach dem Tod Jesu. Diese Ausdrücke konnten nur im Sinn des alten, eschatologischen Messiasglaubens genommen werden. Jesus ging zum Vater, um dort den ihm gebührenden Platz einzunehmen (212f).

Im Hebräerbrief ist weder von Auferstehung noch von Auferweckung Jesu die Rede. 13,20 ist in der Terminologie atl bestimmt, Hinaufführen von den Toten“ scheint die ursprüngliche Lesart zu sein (Hinaufführen von der Erde). Im Hebr wird deutlich, dass der irdische Leib Christi keine positive soteriologische Bedeutung haben kann. Das ergibt sich aus der Feststellung des atl Typus auf das Leiden Jesu vor dem Tor (Hbr 13,10ff), das dem Verbranntwerden der Tierleiber entspricht, deren Blut zum Opfer benutzt wurde. So ist zwar das Blut Jesu Mittel des Heils, aber sein Leib ist „außerhalb des Lagers“ der Schmach preisgegeben. Er selbst ist als der Hohe Priester des Neuen Bundes mit seinem Blut zum Himmel hinaufgestiegen, um dort den Ehrenplatz zur Rechten Gottes einzunehmen (Hbr 10,12), wo die einmalige Tatsache des Sündopfers der Ewigkeit göttlicher Herrlichkeit gegenübergestellt wird, und Hbr 12,2, wo Kreuz und Erhöhung einander entsprechen. Das ist die einzige Stelle, wo im Hebräerbrief die historische Tatsache des Kreuzes erwähnt wird (213f).

Die Betrachtungsweise des Hebräerbriefs sieht im allgemeinen von der wirklichen Geschichte ab, stellt das himmlische Urbild dar, so, wie es abbildlich bereits im atl Kultus geweissagt erschien. Auch in Hbr 1,3f liegt bei der Feststellung der Inthronisation die mythologische Betrachtungsweise vor, die Jesus den Engeln gegenüberstellt. Als Hinweis auf die geschichtlichen Leiden Jesu steht Hbr 2,9f der Begriff der 'Leiden', aber die ihnen gegenüberstehende himmlische Herrlichkeit ist mit allgemeinen Wendungen umschrieben, die keinen Hinweis auf Grab und Auferstehung enthalten. Nach 4,14 ist Jesus der große Hohe-Priester, der durch die Himmel hindurchgegangen ist, der mit seinem Blut, das er als Sündopfer dargebracht hat, hineingegangen ist ins himmlische Heiligtum. Der Tod Jesu hat nur Sinn als Mittel zur Gewinnung des Opferblutes. Das Blut ist das große Kultsymbol der christlichen Frömmigkeit geworden. Christus selbst hat es dargebracht, um in seiner Kraft in den Himmel einzugehen und vor Gott für die Gläubigen einzutreten. Die Terminologie des Hbr setzt weder die Geschichte von der Grablegung noch die Visions- und Auferstehungslegenden voraus. Die ihr zugrunde liegende Vorstellung von dem Ausgang Jesu ist die von seiner Erhöhung vom Kreuz in den Himmel (214f).

Zusammenfassung: Unter den Vorstellungen, die sich die älteste Gemeinde über den Eingang Jesu in die himmlische Herrlichkeit machte, neben der Auferweckung oder Auferstehung und der Himmelfahrt vom Grab aus hat die Vorstellung von der Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus eine bedeutsame Stelle eingenommen. Sie entspricht dem Glauben an das Thronen Jesu zur Rechten Gottes und an seine eschatologische Wiederkunft. Im Urchristentum stehen verschiedene Anschauungs- und Ausdrucksformen nebeneinander, die alle dem Glauben an den Erhöhten entspringen (215f).

 

(2) Transzendentale Entwürfe – Versetzung des Verstorbenen in den Himmel

 

A. Die himmlische Erhöhung der Märtyrer
B. Der Märtyrer Jesus (Lk 23,33-49)
C. „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,42f)

 

- Die Entrückung  besonderer Frommer: Henoch und Elia

Das Frühjudentum erweitert den Kreis der auserwählten Gerechten um Mose, Pinchas, Baruch, Esra. Möglicherweise hat auch Jesus von Nazareth in einer bestimmten Phase seines Weges mit seiner Entrückung gerechnet (Mk 2,20; Lk 9,51) (10).

Um seines Auferstehungszeugnisses willen gehört das 2Makkabäerbuch zu den wichtigsten Schriften zwischen den Testamenten (11). In 2 Makk 7 entwickelt sich im Zusammenhang einer Märtyrertheologie und im Gespräch mit Dan 12 eine neue Auferstehungsvorstellung von der besonderen himmlischen Auferstehung der Märtyrer unmittelbar nach ihrem Tod (19).

 

A. Die himmlische Erhöhung der Märtyrer

U. Kellermann (1979)

 

a. Das Auferstehungsmotiv bei Paulus
b. Das Erhöhungsmotiv im lukanischen Werk
c. Martyrium und Auferstehung im Hebräerbrief
d. Die Erhöhung der Märtyrer in der Johannesoffenbarung
e. Zusammenfassung
f. Hat der historische Jesus selbst sozusagen als Inaugurator der Märtyrerchristologie seine Auferstehung erwartet?

 

a. Das Auferstehungsmotiv bei Paulus

 

Die Erwartung einer himmlischen Auferstehung als Ausdruck urchristlichen Glaubens, individuelle Erwartung des Heils unmittelbar nach dem Tod

Phil 1,23; 3,10f: Im Philiperbrief zeichnet Paulus sein Geschick mit Motiven der Märtyrertheologie, dazu gehört die Opfervorstellung (2,17), der Vergleich des Märtyrerwegs mit dem Wettkampf in der Arena (3,12), der Kampf allgemein (1,29f), das Motiv der Freude im Leiden (1,18;  4,4) und die Sehnsucht nach der himmlischen Christusgemeinschaft (1,20.23) (110f).

Paulus sieht bewusst der Möglichkeit des Martyriums entgegen und weiß, dass auch sein Tod Leben bedeutet. Fast sehnsüchtig nimmt der Apostel die Märtyrerhoffnung für sich in Anspruch, ohne dass dabei der Begriff Auferstehung fällt. Um der Gemeinde willen, die seiner bedarf, verwirft Paulus die Sehnsucht nach der himmlischen Märtyrerseligkeit. Paulus überträgt die frühjüdische Hoffnung auf himmlische Gemeinschaft mit Gott auf die Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus. Und er wendet die Formel 'mit Christus sein', die sonst die endzeitliche Christusgemeinschaft meint, auf den transzendenten himmlischen Bereich an. Vor diesem Hintergrund muss auch Phil 3,10f gesehen werden: (8) „Ich achte alles für Schaden um des Überschwangs der Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn, willen …, (10) ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, (11) damit ich zur Auferstehung von den Toten gelange“. Der V11 steht im Horizont des Martyriums. Paulus stellt die Möglichkeit seines Leidens und Sterbens als Gemeinschaft mit der Passion Christi, als Nachvollzug des Sterbens Jesu, dar. Aus der Parallelisierung des apostolischen Leidens und der Passion Jesu ergibt sich die Analogie in der Auferstehung zwischen dem Herrn und seinem Apostel. Seine Auferstehung entspricht der des Gekreuzigten. Wir haben hier die Erwartung der Märtyrerauferstehung vor uns. Dafür spricht auch der Kontext Phil 1,23 und die Wendung 'von den Toten', die bei Paulus sonst die vorzeitige einmalige Auferstehung Christi und nicht die allgemeine Totenauferweckung zum Endgericht charakterisiert. Damit bewegt Paulus sich in der Erwartung von 2Makk 7. Es ist die Seligkeit, die dem Martyrium bestimmt ist. Der Märtyrer gelangt nach Leiden und Sterben unmittelbar in die himmlische Christusgemeinschaft. Wiederum in Phil 1,23 begegnen wir der christologischen Uminterpretation, die für die urchristliche und altkirchliche Märtyrererwartung grundlegend wird (112f).

2Tim 4,18: „Der Herr wird mich erlösen von allem Übel und mich retten in sein himmlisches Reich …“ Der Gedanke der Gemeinschaft des Märtyrers mit dem leidenden, sterbenden und auferstehenden Christus wird in 2 Tim betont (1,8.12.16;  2,3.9.11-13;  4,5-8). Das Martyrium gilt als Kampf (2,3). Der Märtyrer Paulus erhält den Siegeskranz (4,8). Es bestand die Gefahr eines tödlichen Ausgangs, aber der Apostel ist aus dieser Gefahr errettet worden (4,16f). Bei der Wiederholung seines Geschicks rechnet er mit dem Tod, der nach 4,18 „Rettung in das himmlische Reich“ bedeutet. Es ist die gegenwärtige Königsherrschaft Christi im Himmel, zu der das Martyrium ihm die Tür aufschließen wird (127).

2 Tim 2,11-13:Zuverlässig ist das Wort: Sind wir mit (ihm) gestorben, so werden wir auch mit (ihm) leben; dulden wir willig, so werden wir auch mit (ihm) herrschen. Verleugnen wir, so wird er auch uns verleugnen. Werden wir untreu, so bleibt er treu. Denn er kann sich selbst nicht verleugnen“. Das Martyrium für Christus ist ein Sterben 'mit' Christus (V.11). Infolge der Parallelisierung von Sterben und Auferstehen Christi (2,11-13) liegt die Interpretation einer postmortalen himmlischen Christusgemeinschaft im Sinn von Phil 1,23 und 2Tim 4,18 nahe. Das Futur der Sätze ist ein Futur in der Logik des Zeitablaufs: Es muss gestorben sein, bevor das wahre Leben kommt (128f).

 

b. Das Erhöhungsmotiv im lukanischen Werk

 

In der Kreuzigungsszene tritt das Motiv der himmlischen Erhöhung des Märtyrers klar zutage. So weist der Schächer am Kreuz auf die Unschuld Jesu hin, wie es in den Märtyrerberichten üblich ist: „Dieser hat nichts Unrechtes getan“ (Lk 23,41). Er bittet den Märtyrer Jesus um Teilhabe an dessen postmortalem Heil: „Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42). Das Reich ist himmlische Wirklichkeit. Der Gekreuzigte tritt durch den Tod hindurch die ihm gestiftete Herrschaft im Himmel an. In der Stunde seines Todes ereignet sich für den Märtyrer die himmlische Auferstehung, wie Jesus in der Autorität eines Amen-Wortes versichert: „Amen, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Das Paradies erscheint als himmlische Wirklichkeit. Die Bitte des Schächers findet unmittelbar nach dem Tod ihre Erfüllung, wie das heute anzeigt (115f).

Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Jesu eigene Abba-Anrede Gottes betont die Verbundenheit zwischen dem Märtyrer und Gott. Der letzte Schrei Jesu signalisiert den Siegt des Märtyrers über seine Feinde und leitet zum Aufstieg des getöteten Gerechten in die Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater über (116f).

Die von Lukas (24,46) eingebrachte Reflexionsformel: „Mußte nicht der Messias solches leiden und in seine Herrlichkeit eingehen“? rechnet mit einer unmittelbaren himmlischen Erhöhung des Gekreuzigten. (Vielleicht ist auch die Engelbotschaft Lk 24,5: „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferweckt“ auf dem Hintergrund der Märtyrertheologie zu verstehen.) Jesu Tod bedeutet im Unterschied zum Tod Anderer Durchgang zum Leben. Wiederum verbindet sich hier in der nachgeschobenen Erklärung mit der Auferweckung der räumliche Aspekt: dem „nicht hier (auf Erden)“ entspricht ein gedankliches „im Himmel“. Jesus gehört nicht mehr dem Totenreich an. Der Tod des Märtyrers erfährt durch Gott im Himmel seine Aufhebung. Wie in 2Makk 7 wird der Märtyrer rehabilitiert durch die Gabe des himmlischen Lebens, wie es Lukas 24,46 zum Ausdruck bringt (117).

Noch deutlicher erscheint die lkn Sicht des Todes Jesu als Weg durch den Märtyrertod zur himmlischen Auferstehung in den christologischen Sätzen der Missionsreden der Apostelgeschichte. Den Texten Apg 2,23f.32f;  3,14;  4,10;  5,30;  10,39f;  13,27-30, die auf die Formulierung des Lukas zurückgehen, eignet die Vorstellung von der postmortalen himmlischen Erhöhung und Rehablitierung des getöteten Gerechten. Es begegnen uns hier Motive der Märtyrertheologie wie die Betonung der Unschuld des Getöteten (Apg 3,14;  13,28) und die Heilswende im Augenblick des Märtyrertodes (Apg 5,31f). Die Stichworte Auferstehen/Auferweckung erscheinen im räumlichen Koordinatensystem von irdischem Leiden und himmlischer Erhöhung (117f).

Die Stephanusgeschichte (Apg 7) als Märtyrerbericht: In visionärer Vorwegnahme seines Weges erblickt der Urmärtyrer der Kirche die himmlische Lichtherrlichkeit Gottes als Ziel seines Leidensweges: „Da rief er, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55f). Das Motiv des geöffneten Himmels führt in die Märtyrerüberlieferung. Der Auferstandene sitzt nicht zur Rechten Gottes, er hat sich erhoben, um seinen Märtyrer ehrenvoll zu empfangen. Wenn auch in diesen Passagen der Auferstehungsbegriff nicht begegnet, so wird doch das jüdische Motiv der sofortigen himmlischen Auferstehung des Märtyrers in der Form der Erhöhungserwartung wie in Phil 1,23 christologisch umgedeutet: der christliche Märtyrer tritt nach seinem Tod in die Auferstehungsgemeinschaft mit dem Gekreuzigten ein (118f).

 

c. Martyrium und Auferstehung im Hebräerbrief

 

In 11,35 wird der Rückkehr der Toten in das irdische Leben eine „bessere Auferstehung“ gegenübergestellt. Die Bezugnahme auf 2Makk 7 legt die Deutung einer postmortalen himmlischen Auferstehung nahe. V 39 dagegen stellt das Erlangen der Auferstehung in der Vergangenheit in Frage. Die Heilsgeschichte hat ihr Ziel erreicht (12,2): „(1) Darum … lasst uns … mit Ausdauer in dem Kampf laufen, der in Aussicht steht, (2) indem wir auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens blicken, der … sich 'zur Rechten' des Thrones Gottes gesetzt hat“. Hier klingt Märtyrerüberlieferung an. Das Bild des Wettkampfs gehört dazu, die Motive der Ausdauer, Freude und Mißachtung der Schande sind zu nennen, wenngleich Freude hier nicht Freudigkeit im Martyrium meint und die Mißachtung sich nicht auf den Schmerz bezieht. Wir begegnen dem Motiv der unmittelbaren postmortalen Erhöhung zu Gott. Der Aufforderung des Aufblickens auf Jesus entspricht das Zeugnis über die makkabäischen Märtyrer. So erscheint in dieser Paränese Christus sozusagen als der Urmärtyrer für die, die seinem Martyrium nachfolgen. Die christologische Grundvorstellung vom Durchgang des leidenden Christus durch den Tod zur himmlischen Freude des Sitzens zur Rechten Gottes gleicht den besprochenen lkn Texten (121).

Die Christologie des Hebräerbriefs: Ihr liegt ein Bild zugrunde, nach dem der Gekreuzigte am Karfreitag als himmlischer Hoherpriester im Aufstieg in das himmlische Heiligtum sein Blut als Selbstopfer darbringt, damit Fürbitte leistet und so die Reinigung von Schuld und die Wende zum Heil bewirkt. Das Motiv der Selbstdarbringung gehört in der Christologie des Hebräerbriefs traditionsgeschichtlich mit anderen Motiven zusammen, die ihre Entsprechung in der Märtyrerüberlieferung haben: die Unschuld des Zeugen Jesus (7,26), seine Treue zum Schöpfer (3,2), die Bewirkung der Heilswende durch seinen Tod (2,10;  9,12.14f.26.28;  10,12), die Reinigung des Volkes von Schuld durch den Tod des Gerechten (1,3;  2,9;  10,12). Die einmalige Identität von Priester und Opfer weist uns in die Märtyrertheologie. Bereits in 2Makk 7 begegnet diese Opfervorstellung. Der Hebräerbrief hat in seiner Christologie einer Himmelfahrt Jesu vom Kreuz aus auch den Gedanken der postmortalen himmlischen Erhöhung der Märtyrer angewendet (121f).

 

d. Die Erhöhung der Märtyrer in der Johannesoffenbarung

 

Die Offenbarung versteht sich als 'das Buch eines Märtyrers für Märtyrer' und durch sie für alle Gläubigen, die es noch nicht sind. An den Höhepunkten apokalyptischer Zukunftsentwürfe stehen oft Szenen himmlischer Anbetung Gottes durch die Märtyrer (6,9-11;  7,9-13;  15,1-4). Der Apokalyptiker sieht an den Märtyrern im Himmel vorwegereignet und bereits gegenwärtig, was auf die Gemeinde an Verfolgung, Tod und Heil noch zukommt. Deshalb kann er der Gemeinde von Smyrna, die mit Einkerkerung und Todesmartyrium rechnen muss, die Verheißung des bereits auferstandenen und am himmlischen Leben teilhabenden Märtyrers Christus zusprechen: „Dies spricht der Erste und Letzte, der tot war und lebendig wurde ......“ (2,8-11). Der auferstandene Christus gibt dem Märtyrer, der sich im Kampf bewährt hat, Anteil an seinem himmlischen Leben (123).

Nach jüdischer Anschauung (6,9-11) ruhen die Seelen der Gerechten am Fuß des himmlischen Altars. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass sie nun in der Gegenwart Gottes existieren und ihr Tod ein Gott dargebrachtes Reinigung- und Sündopfer bedeutet. Die Märtyrer erhalten schon vor dem Anbruch des Endheils den verklärten Leib der Vollendeten, wie das Motiv der Übergabe des himmlischen Kleides erkennen lässt. In der Vision der weißgekleideten Schar am Thron Gottes (7,9-17), will der Apokalyptiker im Bild des himmlischen Gottesdienstes und der Seligkeit und Gottesnähe der Märtyrer den Sinn des Leidens, seine Notwendigkeit und seine Würdigung durch Gott enthüllen. Die Märtyrer sind aus dem großen Leiden gekommen (V 14). Sie stehen nun in ihrer neuen himmlischen leiblichen Existenz, auf die die Metapher des weißen Gewands (9,13) hinweist, lobend und dienend am Thron Gottes (124f).

Die Vision des tausendjährigen Reichs (20,1-10) gehört nach der Aussage von V 4 in den Zusammenhang der Märtyrertheologie (125). Man muss bei der Thronszene (V 4), die im Himmel spielt, mit einer Vorwegnahme des Endgerichts für die Märtyrer rechnen. Damit ist im Kontext aber auch ihre Auferweckung als eine vorweggenommene himmlische Auferstehung verstanden. Auch nach 6,9-11 geschieht das neue Leben und das Herrschen der Märtyrerseelen im Himmel. Damit dürfte die erste Auferstehung der Märtyrer (V 5) wie in 2Makk 7 als himmlische Auferstehung zu deuten sein. Wir begegnen in V 5 einer der wenigen Stellen, an denen die himmlische Erhöhung der Märtyrer nach ihrem Tod als Auferstehung bezeichnet wird. Von 2Makk 7 unterscheidet sich diese Erwartung einmal durch das Motiv der Christusgemeinschaft. Zum anderen begegnen wir hier einer zeitlichen Verschiebung der himmlischen Auferstehung in eine zukünftige Vorzeit vor dem Anbruch des Endgerichts. Diese Zeitverschiebung muss auch für 6,9-11 vorausgesetzt werden, da hier zwar eine individuelle postmortale Erhöhung der Einzelseele voraufsgeht, die Signa der neuen leiblichen Existenz im Himmel aber den atl Märtyrern zu einem späteren Zeitpunkt verliehen werden (126f).

 

e. Zusammenfassung

 

Die ntl Texte, die die postmortale himmlische Erhöhung des christlichen Märtyrers erwarten, entstammen dem hellenistischen Judenchristentum und seinem Milieu. Den Gedanken der Rehabilitierung als Begründung für die Notwendigkeit einer besonderen Märtyrerauferstehung sucht man im NT vergeblich. Nach der grundlegenden Entdeckung in 2Makk 7 scheint er inzwischen in der jüdischen und der sich aus ihr ableitenden urchristlichen Glaubensgeschichte selbstverständlich geworden zu sein. Es fällt auf, wie wenig die Texte im Unterschied zur jüdischen Traditionsgeschichte die hellenistische Uminterpretation auf die unsterbliche Seele nachvollziehen – ausgenommen Offb 6,9-11 und 20,4-6. Beide Texte tendieren auf eine neue himmlische Auferstehungsleiblichkeit hin, wodurch in der Rezeption griechischer Vorstellungen das jüdische Erbe, nach dem Leben und Schöpfung nicht ohne Leib möglich ist, bewahrt wird. Alle anderen Texte rechnen mit einer himmlischen Auferstehungsleiblichkeit, ohne das Woher und Wie der neuen Existenz zu erklären. An die Stelle der Neuschöpfung als Motiv und als Vorbedingung der himmlischen Auferstehung tritt die Gemeinschaft des Märtyrers mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus. Dessen Weg wiederholt sich in dem seiner Zeugen. Der Auferstehungsbegriff für die postmortale himmlische Erhöhung der Märtyrer begegnet nicht oft; die Sache ist aber überall vorausgesetzt. Nur in Offb 6,9-11 und 20,4-6 ergibt sich die Vorstellung einer zeitlichen Verschiebung der besonderen Märtyrerauferstehung in die Endzeit. Dabei wird dieses Geschehen von der allgemeinen endzeitlichen Totenauferstehung deutlich geschieden (129f).

 

f. Hat der historische Jesus selbst sozusagen als Inaugurator der Märtyrerchristologie seine Auferstehung erwartet?

 

Im Doppelwerk des Lukas und im Hebräerbrief zieht urchristliche Verkündigung zur Interpretation des Weges Jesu zwischen Karfreitag und Ostern neben anderen Deutungen auch das Motiv der postmortalen himmlischen Erhöhung und Auferstehung des Märtyrers heran. Die Sicht des Weges Jesu vom Märtyrertod zur himmlischen Auferstehung entspricht einer Vorstellung, die im Judentum z.Zt. Jesu geläufig war. Das 2Makkabäerbuch und die genannten jüdischen Texte vor Josephus stammen aus dem Palästinajudentum. Zum anderen lässt sich eine vom Hellenismus unbeeinflusste Frömmigkeitsrichtung im Judentum z.Zt. Jesu kaum nennen (134).

Wenn Jesus von Nazareth seinen eigenen Weg am Ende im Rahmen der Märtyrertheologie gesehen hat, folgt daraus:

Erstens: Die Deutung des Todes Jesu als ein 'Sterben für andere' im Sinn des stellvertretenden Opfers, das für andere Heil einleitet, muss nicht erst auf urgemeindliche Deutung des Kreuzes zurückgehen. Seit 2Makk 7 bedeutet Märtyrertod immer Sterben für das Heil anderer. Im Rahmen der Märtyrertheologie konnte Jesus sein voraussehbares Todesgeschick seiner Sendung positiv als Heilsvermittlung integrieren.

Zweitens: Stimmt diese Voraussetzung, so dürfte Jesus von Nazareth nach dem Vorbild der zeitgenössischen Märtyrertheologie auch seine eigene himmlische Auferstehung im Blick gehabt haben. Die synoptische Überlieferung bezeugt eine Logienkombination, die das Motiv des postmortalen himmlischen Lebens als Märtyrererwartung bringt: Das Jesuswort: „Wer sein Leben findet (errettet), wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert, wird es finden (retten)“ hat sowohl die Markustradition (Mk 8,35;  Mt 16,25;  Lk 9,24) als auch die Überlieferung des Spruchquelle Q (Mt 10,39;  Lk 17,33). Auch Jh 12,25 setzt es voraus. Ein solches Wort passt situationsgerecht in die gefährliche Lage Jesu (Lk 13,31-33). An vielen Stellen erscheint dieses Logion in Kombination mit dem Nachfolgewort: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und so folge er mir nach“ (Mk-Tradition Mk 8,34;  Mt 16,24;  Lk 9,23). Die Verheißung, das verlorene Leben zu gewinnen, gilt in diesem Zusammenhang den Nachfolgern Jesu, die der zelotischen Strafe ausgesetzt sind. Es ist historisch denkbar, dass Jesus selbst das Nachfolgewort gesprochen und mit der allgemeinen Märtyrersentenz vom Erringen des Lebens durch das Sterben verbunden hat. Dann dürfte er sich selbst kaum von dieser Märtyrererwartung auf das postmortale himmlische Leben ausgeschlossen haben (138f).

Sollte der Märtyrer Jesus von Nazareth weniger für sich erwartet haben als die makkabäischen Brüder (140)?

 

B. Der Märtyrer Jesus (Lk 23,33-49)

 

W. Wiefel

Für die Gestaltung des Hergangs der Ereignisse, die dem Kreuzestod vorausgehen und nachfolgen, scheint die Dreizahl maßgebend zu sein. So erleidet der Gekreuzigte eine dreifache Verspottung durch die Oberen, die Soldaten und den einen Schächer (V.35.37.39). Der Schlussabschnitt schildert die dreifache Wirkung des Todes auf den Hauptmann, das Volk und die Bekannten (V.47-49). Vom Aufbau her gewinnt die Schächerszene eine Mittelstellung, die den paränetischen Charakter der lkn Darstellung unterstreicht. Der Lukasbericht hat die vor allem bei Markus enthaltenen Züge der passio iusti, der Präsentatio Jesu als des leidenden Gerechten noch verstärkt (am deutlichsten erkennbar in den Worten des anderen Schächers (V.41b) und des Hauptmanns (V.47b). Weitere Motive, wie die Fürbitte für die Henker, das stumme ertragen des Spottes, die im Sterben vollzogene Hingabe an Gott, die tiefe Wirkung auf die Anwesenden, gehören gleichfalls in das Bild des Märtyrers, das Lukas vor allem in diesem Teil des Passionsberichtes vor Augen gestanden hat. Im Blick auf das Stephanusmartyrium, das der Passion Jesu nachgebildet ist, gilt das Urteil, dass Lukas in seiner Darstellung Jesus als den 'Urmärtyrer' zeigt, der an seinem Leib die Leiden aller Märtyrer erfüllt. Diese im Kreuzigungsbericht kulminierende Sicht ist ein zentrales Element des lkn Christusbildes. In der Gestalt des reuigen Schächers wird die Chance zur Umkehr im letzten Moment sichtbar. Die Leute aus dem Volk (V.49) sollen veranschaulichen, wie durch den betrachtenden Anblick des Sterbens Jesu Reue und Umkehr ausgelöst wird. In solcher 'vorösterlicher', noch unchristologischer Zuwendung, werden bereits die Konturen eines neuen Gottesvolkes sichtbar, als dessen Vertreter der Centurio (als Repräsentant der Heiden), die umkehrenden Jerusalemer und die 'Seinen' beim Kreuzesgeschehen anwesend sind (397f).

34: Das erste Wort des Gekreuzigten ist die Fürbitte für die Henker und Richter. Es geht über das in der Forderung der Feindesliebe (Lk 6,28) Gebotene noch hinaus. Damit wird eine Linie eingeleitet, die sowohl im Martyrium des Stephanus (Apg 7,60) wie auch in dem des Herrenbruders Jakobus ihre Fortsetzung findet (398f).

35: Dem Gekreuzigten widerfährt ein dreifacher Spott, in dem sich die Versuchung zur Selbsthilfe wiederholt. Anders als bei Markus (15,29f) wird das Volk ausgenommen. Es erscheint nur als Zuschauer, während die Oberen des Volkes Jesus auf seine Messianität hin ansprechen. Auch die in V.36 erstmalig genannten römischen Soldaten beteiligen sich am Spott. 39: Der nach den Oberen und den Soldaten sich am Spott beteiligende Mitgekreuzigte knüpft an den Messiasnamen an und fordert Jesus auf, sich und dem anderen Delinquenten zu helfen. Mit der Einführung des anderen Mitgekreuzigten (V.40) kommt das Kontrastmotiv zur Geltung (anders Mk 15,32). Dieser verweist die Worte als Äußerung fehlender Gottesfurcht, wie sie in der Lage der gemeinsamen Verurteilung angemessen wäre. Er erkennt sich selbst als rechtmäßig verurteilt an (V.41), Jesus aber als den schuldlos leidenden Gerechten. Dieses Urteil bestimmt seine Bitte an Jesus (V.42), den er auffallenderweise mit seinem Namen anredet. Er bittet ihn, seiner zu gedenken, wenn er seine Herrschaft antritt, die ihm als dem leidenden Gerechten zukommt. Diese 'Basileia' kann als künftige oder als himmlische Wirklichkeit aufgefaßt werden. Geht man von der Antwort Jesu aus, so ist an die letztere Möglichkeit zu denken. Der Bitte um das Gedenken antwortet Jesus (V.43) mit einem Amen-Wort, in dem er dem Schächer in der von seinem Vater verliehenen Vollmacht das Zusammensein mit ihm zuspricht. Das geschieht noch heute. Jesus tritt durch den Tod hindurch sofort die ihm vom Vater zugedachte himmlische Herrschaft an. Für den Schächer wird die Stunde seines Todes durch die Gemeinschaft mit Jesus zum Eingang in das Paradies. Wie in 2Kor 12,4 (vgl. Offb 2,7) ist damit der übernatürliche Bereich der Gottesnähe gemeint. Die Aussage entspricht der individuellen Eschatologie (399f).

46: Statt des lauten Schreis (Mk 15,37) enthält der von Lukas aufgenommene Bericht als letztes Wort Jesu das Abendgebet des frommen Juden (Ps.31,6). Jesus leitet es mit der ihm eigenen Abba-Anrede an Gott (vgl. 23,34;  22,42) ein. Der von Gott empfangene Geist als Träger des Lebens wird in Gottes Hand zurückgelegt. Dies schließt für Lukas das christologisch bedenkliche Psalmwort (22,2; Mk 15,34) aus, macht andererseits das von ihm aufgenommene Vertrauensgebet als Vorbild bedeutsam (vgl. 7,58f). 47: Der Hauptmann, der die Hinrichtung Jesu überwacht, wird zum Lobpreis Gottes geführt, der sich mit der Erklärung der Gerechtigkeit Jesu verbindet. Die Passion Christi ist damit zu ihrem Ziel gekommen. Für Lukas ist der Hauptmann auch Zeuge derer aus den Völkern, die zum Glauben kommen werden. 48: Das Volk, das in der Haltung von Zuschauern verharrt, wird durch den Ausgang des Geschehens zur Umkehr geführt. Das Schlagen an die Brust ist ihr Ausdruck. So kehren die Zuschauer (zur Stadt) zurück. 49: Zuletzt wird von den Bekannten Jesu gesprochen: Lukas nennt ausdrücklich 'alle', er denkt also auch die Jünger, die ihn zuvor verlassen hatten, aber nicht entflohen sind, als anwesend. Die Frauen aus Galiläa werden besonders erwähnt. Sie gelten damit ausdrücklich als Augenzeugen des Todes Jesu (400).

 

C. „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,42f)

Der Tod Jesu und das Sterben des Menschen (Lk 23,39-43)

 

A. Strobel

Lukas ist Zeuge dafür, dass die Bewältigung des Todes nur über die Haltung des Glaubens, die allein ein personhaftes Gottesverhältnis begründet, dem Ewigkeitswert eignet, möglich ist. Wir blicken auf Jesus, wenn wir dem Sterben entgegengehen: 'Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod und lass mich sehn dein Bilde, in deiner Kreuzesnot'. Der sterbende Christus sagt: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Dass Jesus noch in dieser Stunde, in solcher Tiefe, in solcher Dunkelheit, 'Vater' sagt, weist ihn als Sohn aus und lässt den unerhörten Grund solcher Gewissheit ahnen. Hier stirbt einer in Überinstimmung mit seiner Sendung (88).

Der Tod ist die letzte Hingabe, die vom Menschen gefordert wird. Simeon spricht (Lk 2,29f): „Nun, Herr, lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben dein Heil gesehen“. Sterben ist nur annehmbar, wenn ein im Menschen angelegtes tieferes Suchen zum Ziel gelangt ist und Erfüllung findet (92f).

Die Kreuzeswahrheit als Angebot der Hoffnung: Der historische Jesus der Evangelien stellt sich uns dar als der leidende Mensch. Jesus leidet nicht nur als Mensch, sondern er leidet mit dem Menschen. Besonders bei Lukas erscheint Jesus, der Sündenheiland und Menschenfreund, als der mitleidende Mensch schlechthin. Er übt Barmherzigkeit bis zur Selbsthingabe und Selbstaufopferung hinein: „Die Gesunden haben den Arzt nicht nötig, sondern die Kranken“ (Lk 5,31). Wird Jesus als der mitleidende Mensch schlechthin bezeugt, dann war seine Verantwortung eine besondere: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,32). Hat Jesus in diesem Sinn Verantwortung für den Menschen getragen vor Gott, dann darf er auch als der stellvertretende Mensch schlechthin gesehen und bekannt werden (Apg 10,38: „Denn Gott war mit ihm“). Wo jemand Verantwortung trägt, beweist und lebt, da geschieht es immer stellvertretend. Letzte Verantwortung wird immer vor Gott gelebt. Wenn wir sie bei Jesus wahrgenommen sehen, so bezeichnet dies genau den Tatbestand, der uns heute noch immer seine Christuswürde bezeugen lässt (96).

Der zweite Schächer nennt den Gekreuzigten 'Jesus'. Der irdische Heiland musste auch sterben. Im Tod ist er uns gleich geworden. Er musste wie wir erfahren, dass Gott noch in der verfremdeten Maske der Kälte und des Nichts als Vater erkannt, geehrt und angebetet werden will. Dies ist das Letztmögliche, die freie Tat, die höchsten Gehorsam darstellt. Dass Jesus unserer 'gedenkt', liegt daran, dass Gott seiner gedacht hat. Bevor er mit seinem Reich kommt, musste er es selbst zuerst einnehmen durch Glauben und Gehorsam. Worauf wir hoffen und bauen können, ist allein das Gedenken Jesu und insofern dann auch das Gedenken Gottes. Worauf wir bauen, ist sein Wort, seine Zusage. Was ist dies schon, wenn uns nichts mehr übrig bleibt, als an das 'Gedenken' eines gleichfalls Getöteten zu appellieren? Dieser Tiefpunkt markiert die Grenze, die jeder von uns überschreiten muss, um nie wieder in dieses Leben zurückzukehren. Dieser Punkt verbindet uns mit dem bodenlosen Nichts oder mit dem allmächtigen Gott. Beides ist gleich furchtbar, wenn wir nicht einen haben, der unserer 'gedenkt'. „Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42)! Der verzweifelte Mensch wagt nur an das Gedenken Jesu zu appelieren. Aber an der Stätte des Kreuzes ist dessen Wort bedingungsloses, unverkürztes Angebot. Das 'Heute' seines Wortes umfasst die Stunde des österlichen Heils, die Gegenwart seiner Person über den Schritt ins Dunkle hinaus, ja die Zusage dauernder Gemeinschaft im Licht: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Jesus weist nicht auf künftigen Trost hin, sondern er tröstet sofort. Das Paradies ist der Ort der Gerechten und Gerechtgesprochenen. Es ist der Ort der Väter und somit der 'Schoß Abrahams' (Lk 16,22). Es ist die Stätte der uranfänglichen Fürsorge Gottes für den Menschen, worüber er schützend die Hand hält. Es ist die Chiffre für die Treue und Barmherzigkeit Gottes (97f).