3.2 Die Deutung des Kreuzestodes Jesu aus vorwiegend paränetischem Interesse

Die Lebenshingabe am Kreuz als Tat der Liebe Jesu zu den Seinen und als Beispiel zur Nachahmung:

Jh13,12-17: Die zweite Deutung der Fußwaschung; Hier ist nicht wie in der ersten Deutung von der Heilsnotwendigkeit dieser Hingabe die Rede, sondern das Tun Jesu wird ausschließlich als Beispiel der Liebe zu den Seinen verstanden, d.h. auch die Jünger sollen einander lieben bis zur Hingabe des Lebens (vgl. auch Jh 13,34f;  15,13;  1Jh 3,16). Das Neue an dem Gebot Jh 13,34f ist der Grad, das Maß der Liebe. Es ist die Liebe nach dem Beispiel Jesu, d.h. die Liebe bis zur Hingabe des Lebens (62f).

Der Hingang Jesu erfolgt zum Zweck der Weiterführung und Vollendung seiner Offenbarertätigkeit, sei es durch ihn selber als den wieder beim Vater weilenden Sohn, sei es durch den von ihm gesandten Parakleten. Jh 16,7: 'Gut' ist der Hingang Jesu hier wegen der Sendung des Parakleten, der das Offenbarerwirken Jesu weiterführt. Der Paraklet hat die Aufgabe, neue Offenbarung zu bringen (16,13-15). Jh 16,28: Jesus geht nicht deshalb zum Vater, weil er das Werk (die Offenbarung) vollendet hat, sondern um es erst von dorther, vom Vater her, zu vollenden: Er wird dann offen vom Vater Kunde geben (64).

Die Tendenz der ersten Reihe ist: damit ihr trotz des Kreuzestodes an Jesus als den Messias glaubt und so (als Glaubende) das Heil erlangt. Die Tendenz der zweiten Reihe aber ist: damit ihr nach dem Beispiel und nach dem Gebot Jesu handelt und so (durch euer Tun) das Heil erlangt. In der ersten Reihe hängt das Heil von dem ab, was Jesus tut (von seiner Hingabe in den Kreuzestod), in der zweiten Reihe jedoch von dem, was der Jünger tut (Nachahmung des Beispiels Jesu und Befolgung seiner Gebote). Zur Fußwaschung: in der ersten Deutung (ersten Reihe) hängt das Heil davon ab, dass Jesus die Fußwaschung (= Hingabe in den Kreuzestod) vollzieht (13,8b.10a). In der zweiten Deutung hängt das Heil davon ab, dass die Jünger das Beispiel Jesu (Hingabe des Lebens aus Liebe zu den Seinen) nachahmen: „Selig seid ihr, wenn ihr (es) tut“ (1,17). In den Aussagen der zweiten Reihe geht es nicht mehr um die Überwindung des Ärgernisses des Kreuzes, nicht mehr um Begründung und Apologie des Kreuzestodes Jesu, sondern um die Motivierung von Forderungen des christlichen Lebens unter dem Hinweis auf das Beispiel Jesu. Das Anliegen der Texte der zweiten Reihe ist die Einschärfung des Liebesgebotes und seine Begründung mit dem Beispiel Jesu, der aus Liebe zu den Seinen sogar das Leben hingegeben hat (65).